Silke Eber: „Noch nie war die Bedeutung eines Lehrgangs so hoch“

Wirft einen Blick auf 2020: Bundestrainerin Silke Eber (Foto: Christian Kadgien)

Kulmbach (DFBL/ssp). Die Uhr tickt: In nicht einmal drei Monate soll im schweizerischen Jona der Faustball-Weltmeister der Frauen 2021 gekürt werden. Doch im Vorfeld des Turniers gibt es noch viele Fragezeichen die aus dem Weg geräumt werden müssen. Auch für Titelverteidiger Deutschland. Das Trainingslager zum Auftakt ins WM-Jahr musste abgesagt werden, viele Spielerinnen können derzeit nur individuell trainieren.

Wir haben mit Bundestrainerin Silke Eber über den aktuellen Stand der Vorbereitung gesprochen, in welcher Form die WM überhaupt stattfinden kann, wie wichtig es ist, dass der Faustball-Nachwuchs wieder aktiv sein kann und welches Highlight im kommenden Jahr erstmals im Kalender des Frauen-Kaders steht.

Frage: Trainingspläne für jeweils zwei Spielerinnen für „Zuhause“: Den Auftakt in das WM-Jahr 2021 habt ihr euch sicherlich anders vorgestellt. Wie fällt dein Fazit zur Trainingslager-Alternative aus? Wie war die Reaktion der Spielerinnen?

Silke Eber: Wir waren eigentlich noch im März guten Mutes, den geplanten Lehrgang in Segnitz durchführen zu können. Die steigenden Infektionszahlen haben uns aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir müssen schon seit einem Jahr -seit Beginn der Pandemie- nach Alternativen suchen, mit Einschränkungen leben, das gehört leider zu unserem Alltag aktuell dazu. Die Reaktion der Spielerinnen war -soweit ich das jetzt mitbekommen habe- „halbwegs“ positiv. Alle hätte natürlich lieber einen Lehrgang gemeinsam absolviert. Das geht ja leider nicht, dennoch haben sich die Spielerinnen gefreut, endlich mal wieder Faustball spielen zu dürfen.

Frage: Worauf hast du bei den Trainingseinheiten Wert gelegt, woran sollten die Spielerinnen besonders arbeiten?

Silke Eber: Die Planung für diesen „Auftaktlehrgang“ war alles andere als einfach, weil die Spielerinnen aktuell nicht auf einem einheitlichen Niveau sind. Beispielsweise können die Spielerinnen aus Schneverdingen schon seit Monaten in die Halle bzw. dann auch relativ schnell auf das Feld und trainieren. Im Gegensatz dazu sind die Begingungen gerade im Süden des Landes schwieriger, einige Spielerinnen dürfen erst seit wenigen Wochen auf das Faustballfeld und durften in der Halle gar nicht spielen. Daher haben wir uns ein Programm überlegt, das individuell auch durchführbar und steuerbar ist, manchmal mit mehr oder weniger Intensität. Die Art der Durchführung des Programms war dann den Spielerinnen auch selbst überlassen. Wir haben natürlich schon darauf geachtet, dass wir die Art der Übungen so gestalten, um das Verletzungsrisiko so gering wie möglich zu halten.

Frage: Durch den ausgefallenen Lehrgang war ein persönliches Treffen erneut nicht möglich. Wie gelingt es euch als Trainerteam, während der Corona-Pandemie den Kontakt zu den Spielerinnen zu halten?

Silke Eber: Es geht nichts über ein persönliches Treffen und wir alle – unabhängig vom Faustball – sehnen uns natürlich danach, dass wir uns endlich mal wieder auch unbeschwert und unbesorgt treffen können. Wir versuchen durch regelmäßige Zoom-Meetings den Kontakt aufrecht zu erhalten, so dass man sich wenigstens ab und an mal „sehen“ kann. Ansonsten gibt es natürlich regelmäßigen Kontakt über E-Mails.

Frage: Mitte Juli soll die Weltmeisterschaft in Jona stattfinden. Deutschland hat drei Mal in Folge gewonnen und wird somit wohl in einer Favoritenrolle die Schweiz reisen. Kann man in der aktuellen Situation überhaupt einschätzen, wo der Leistungsstand des eigenen Teams ist und wie man damit im Vergleich zu den anderen Nationen steht?

Silke Eber: Aktuell fällt es mir tatsächlich schwer, das Leistungsvermögen in unserem Team zu beurteilen. Wie ich vorhin schon sagte, finden die Spielerinnen seit Monaten schon unterschiedliche Gegebenheiten vor Ort vor, wir haben leider aktuell kein einheitliches Niveau in unserem Kader. Ich glaube aktuell ist es schwierig, Vergleiche zu anderen Nationen zu ziehen. Wir konzentrieren uns jetzt erst einmal auf uns und da haben wir alle Hände voll zu tun, um den Kader bis dann zur WM auf ein ausgeglichenes Leistungsniveau zu bringen, dass es uns dann auch möglich macht, erneut um den Titel spielen zu können.

Frage: Nicht ganz unwichtig hierfür dürfte die geplanten Lehrgänge sein. Bis zur WM stehen zwei Lehrgänge und ein Länderspiel im Juni gegen die Schweiz im Terminkalender, bevor ihr euch bei einem Kurzlehrgang in Niedernhall auf die Titelkämpfe einstimmt. Welche Bedeutung haben die Lehrgänge und das Länderspiel, um sich optimal vorzubereiten?

Silke Eber: Wahrscheinlich war die Bedeutung eines Lehrgangs noch nie so hoch, wie es aktuell der Fall ist. Wir brauchen die Lehrgänge, wir brauchen den Kontakt, wir brauchen auch die Motivation, dass wir uns gemeinsam auch auf dieses Highlight in diesem Jahr freuen können. Das gelingt in der Regel gemeinsam immer am besten. Unabhängig davon muss ich den Kaderspielerinnen ein riesiges Lob aussprechen. Die Spielerinnen – wir sehen das an den Aktivitätenplänen, die wir monatlich einfordern – absolvieren ein großartiges Trainingsprogramm und versuchen sich optimal auf die WM vorzubereiten.

Frage: Zur ersten Meldefrist hatten 14 Nationen ihr Interesse für eine WM-Teilnahme bekundet. Was glaubst du, in welcher Form die WM überhaupt durchgeführt werden kann? Inwieweit stellt man sich auf eine WM ohne Zuschauer ein?

Silke Eber: Diese Frage lässt sich nicht ganz so einfach beantworten. Grundsätzlich ist eine WM mit vielen Nationen immer toll und das macht ja auch eine WM aus. Ob die WM nun tatsächlich mit diesen 14 Nationen durchgeführt werden kann, wage ich akutell noch ein wenig zu bezweifeln. Jedes Land hat bezüglich der Pandemie unterschiedliche Vorgaben und Beschränkungen, man wird sehen was die Pandemie im Juli auch zulassen wird. Wir werden es so nehmen, wie es kommt. Ich bin mir sicher, dass die Schweizer Verantwortlichen alles dafür tun werden, um eine sichere WM auszurichten. Wir haben mittlerweile gute Hygienekonzepte und mit einer guten Teststrategie bin ich eigentlich recht optimistisch, dass die Sache in Jona auch gut funktionieren könnte. Eine WM ohne Zuschauer – sehr schwer vorstellbar – allerdings wissen wir natürlich schon, dass diese Szenario auch eintreffen könnte.

Frage: Ist eine WM aus deiner Sicht unter den aktuellen Umständen überhaupt durchführbar? Welche Voraussetzungen müssen dafür aus eurer Sicht erfüllt werden?

Silke Eber: Es kann funktionieren, wenn es die Pandemie bzw. die Rahmenbedingungen zu diesem Zeitpunkt zulassen. Unabhängig aber davon, ob eine WM oder eine EM in diesem Jahr stattfinden kann, sollten wir darüber nachdenken, wie unsere Kinder unser Nachwuchs endlich wieder Faustball spielen kann bzw. darf. Das halte ich persönlich für viel, viel wichtiger als alles andere. Wir wissen alle nicht, wie lange die Corona-Geschichte uns noch begleiten wird, das heißt, es kann gut sein, dass wir noch eine sehr lange Zeit damit zu tun haben. Wir müssen Lösungen finden, damit unser Faustball-Nachwuchs trotz Corona wieder aktiv sein kann. Darauf sollten wir unsere ganze Energie legen.

Frage: Lass uns zum Abschluss noch kurz auf 2022 blicken: Mit einem Jahr Verspätung soll es im nächsten Jahr endlich mit der Premiere des Frauen-Faustballs bei den World Games klappen. Ihr wollt den Kader bei einem Lehrgang Ende September nominieren. Welche Bedeutung hat die World Games-Teilnahme für euch?

Silke Eber: Es ist tatsächlich schwierig, aktuell an die World Games im nächsten Jahr zu denken. Zweifelsohne weiß ich, dass für viele Spielerinnen die World-Games noch einmal ein großes Ziel sind, weil ja auch zum ersten mal die Frauen dort mit vor Ort sein dürfen. Aus Erzählungen weiß ich, dass diese Geschichte schon etwas ganz Besonderes ist. Aber aktuell verschwenden wir da keinen Gedanken daran, unsere ganze Energie und Aufmerksamkeit richtet sich auf die WM in Jona.

Frage: Der Kader soll ja bereits bei einem Lehrgang im September in Bardowick nominiert werden. Wie sieht das Nominierungsprozedere für den World Games-Kader aus?

Silke Eber: Das Kriterium ist immer das Gleiche, die besten Spielerinnen des Landes sollen die Chance haben dürfen, sich für die World-Games zu empfehlen. Wir werden die WM abwarten und werden und dann auch den Kader für den World-Games-Lehrgang im September bekannt geben.

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