WM-Rückblick: Als 1999 eine wohl einmalige Siegesserie endete

Brasilien, Deutschland, Österreich: So war der Endstand bei der zehnten WM der Männer.

Offenburg (DFBL/ssp). Ab Sonntag wird die Faustball-Welt ihren Blick für eine Woche nach Winterthur werfen. Vom 11. bis 17. August finden in der sechstgrößten Stadt der Schweiz die 15. Faustball-Weltmeisterschaften der Männer statt. Mit 18 Nationen ist es die größte Faustball-WM aller Zeiten – Deutschland geht nach dem Titelgewinn 2015 in Argentinien als Titelverteidiger an den Start.

Die Schweiz ist zum dritten Mal Gastgeber einer Männer-WM: Bereits 1979 und 1999 traten in der Alpenrepublik die besten Faustballer gegeneinander an. Gemeinsam mit den ehemaligen Nationalspielern Claus Ehlbeck und Ralf Herp werfen wir einen Blick in die deutsche WM-Geschichte. Heute: Teil 2

Ein Tag, der in die Faustball-Geschichte einging

Stand im WM-Aufgebot 1999: Ralf Herp

29. August 1999: Eigentlich war es ein ganz normaler früher Sonntagabend im August in der Schweizer Stadt Olten. Die Sonne verschwand hinter den Bergen, der Abend brach herein. Doch an diesem Abend geschah etwas, das die 30-jährige Geschichte der Faustball-Weltmeisterschaft ins Wanken brachte. Alle neun Weltmeistertitel von 1968 bis 1995 waren bisher ausschließlich an das deutsche Team vergeben worden. An diesem Abend in Olten aber reckten jubelnde Brasilianer den WM-Pokal in den Himmel. Der ewige Sieger Deutschland war gestürzt.

7.400 Zuschauer erlebten kurz zuvor ein denkwürdiges WM-Endspiel zwischen Deutschland und Brasilien. Über fünf Sätze duellierten sich die beiden Teams – eine Entscheidung fiel erst in der Verlängerung des letzten Satzes. „Natürlich war die Enttäuschung riesig“, erinnert sich Ralf Herp an die Finalniederlage von vor 20 Jahren. Er gehörte zum zehnköpfigen Aufgebot vom damaligen Bundestrainer Harald Muckenfuß, fieberte an der Seitenlinie die gesamte Partie über mit und durfte sich nach dem Finale Vize-Weltmeister nennen. Dass Deutschland es überhaupt bis ins Endspiel geschafft hatte war für viele dabei vielleicht die größte Überraschung.

Freude über Nominierung

Der WM-Kader 1999: (h.v.l.) Trainer Harald Muckenfuß, Arzt Dr. Mark Lothert, Stefan Koch, Martin Becker, Jens Kolb, Niels Pannewig, Betreuer Olaf Neuenfeld, Physiotherapeut Christof Schreiner, Delegationsleiter Lothar Baade, (v.v.l.) Armin Held, Hans-Michael Moritz, Ralf Herp, Andreas Bernhardt, Sven Varnhorn und Roland Schiep

„Im Grunde waren wir eine ,neue‘ Deutsche Mannschaft“, sagt Ralf Herp. „Einige arrivierte Spieler der Vorjahre mit großen Namen hatten ihre Karriere beendet und somit waren wir als Team gefragt.“ Allen voran Jahrhundertfaustballer Dirk Schachtsiek hatte sich aus der Nationalmannschaft zurückgezogen, die Last als Hauptangreifer lag zum ersten Mal auf dem wohl markantesten Schlagmann der gesamten WM – Martin Becker. Gemeinsam mit Ralf Herp und acht weiteren Akteuren wurde er während der Abschlussbesprechung beim abschließenden Nominerungslehrgang in Eibach in den Kader berufen. Herp: „Für mich war die Freude extrem groß, weil es für mich die erste Nominierung in die Herren-Nationalmannschaft überhaupt war.“

Als neunmaliger Titelträger in Folge reiste die Mannschaft von Harald Muckenfuß in die Schweiz – Druck verspürten die zehn Aktiven aber nicht. „Wir waren damals eine Mannschaft mit vielen Spielern, die entweder zum ersten Mal bei einer großen Veranstaltung dabei waren, oder bei den großen Events der Jahre zuvor nicht in der Hauptverantwortung standen“, sagt Ralf Herp. Dies sei allen in der Mannschaft bewusst gewesen. „Uns war klar, dass es nicht einfach wird, den Titel zu verteidigen.“ Dazu sei Deutschland auch – nicht wie in den Jahren davor – von den Experten als Favorit genannt worden. „Für viele war 1999 eigentlich Österreich der Favorit auf den Titel“, erzählt der Offenburger. Bei der bis dahin größten WM aller Zeiten nahmen mit Argentinien, Brasilien, Chile, Dänemark, Deutschland, Italien, Namibia, Österreich, Schweiz, Tschechien und den beiden Neulingen Japan und den USA insgesamt zwölf Nationen teil.

Im Halbfinale gegen den großen Favoriten

Glücksbringer: das Maskottchen der deutschen Mannschaft

Für Deutschland verlief der Start in die WM nach Plan. In der Vorrunde in Vordemwald setzte sich der Titelverteidiger gegen WM-Neuling Japan (20:7, 20:5), Italien (20:12, 20:11), Namibia (20:8, 20:13) und Tschechien (20:5, 20:14) souverän durch. Im abschließenden Gruppenspiel gegen Brasilien ging es um den Gruppensieg. Bei regnerischem Wetter gelang zunächst die knappe Satzführung (22:20), doch die Südamerikaner spielten – anders als in vielen Jahren zuvor – sachlich und ruhig und wurden belohnt: Mit 20:16 und 20:16 drehten sie die Partie.

Nach einem 2:0-Sieg (20:16, 20:6) im Qualifikationsspiel gegen Argentinien traf Deutschland im Halbfinale somit auf Österreich, die bis dahin ohne Satzverlust durch ihre Vorrunde marschiert waren. „Lange hat man gedacht, dass dieses Halbfinale gegen die starken Österreicher das schwerste Spiel der WM sein wird“, sagt Ralf Herp. „Österreich war hoch gehandelt und hat sich einen Sieg ausgerechnet.“ Doch die Alpenrepublik zeigten Nerven – und bekam vorallem den blendend aufgelegten Martin Becker nicht in den Griff. „Martin hat dieses Spiel dominiert“, sagt Herp. „Ich denke es war eines der besten Spiele die er in seiner Karriere gezeigt hat.“ Mit 20:13 und 20:13 zog Deutschland, bei dem der heutige Nationaltrainer Olaf Neuenfeld als Betreuer an der Seitenlinie stand, zum zehnten Mal in Folge in ein WM-Endspiel ein.

Faustball-Krimi erster Klasse

Zwischen Jubel und Ohnmacht befand sich die deutsche Auswechselbank im Finale.

Gegner war – wie schon in der Vorrunde – Brasilien. Herp: „Es war eine tolle Kulisse, die Anspannung war groß. Die Zuschauer saßen im ausverkauften Center Court an allen vier Seiten sehr nah am Spielfeld und haben enorm Stimmung gemacht.“ Nach brasilianischer Satzführung (20:18) wurde Deutschland stärker und drehte die Partie (20:17, 20:17). Doch die Südamerikaner schlugen noch einmal zurück und kämpften sich mit 20:11 in den Entscheidungssatz. Hier war dann zunächst Deutschland wieder in Front. „Als wir beim Stand von 17:13 eigentlich schon den Punkt mit einem kurzen Ball zum 18:13 gemacht hatten, glaubten wohl die meisten, der Sieg würde uns nicht mehr zu nehmen sein“, erzählt der Offenburger Herp. „Dann entschied der Schiedsrichter auf Leine und das Schicksal nahm seinen Lauf.“ Dabei hatte das deutsche Team sogar noch drei Matchbälle – die wehrte Brasilien aber ab und hatte beim Stand von 24:23 selbst den zweiten Matchball. Manfred Lux berichtete: Guter Angriffsschlag von George Schuch auf den vorgezogenen Mittelmann Sven Varnhorn, dessen Abwehr über die hintere Auslinie segelt. Hans-Michael Moritz und Andreas Bernhardt stören sich bei der Rettungsaktion gegenseitig und können den Ball nicht mehr ins Feld bringen. Brasilien jubelt über den ersten Weltmeistertitel.

„Zum Schluss hat Brasilien den letzten Punkt gemacht und ist somit verdient zum ersten Mal Weltmeister geworden“, sagt Ralf Herp. „Wir waren natürlich enttäuscht, gerade weil man uns im Vorfeld den Titel nicht zwingend zugetraut hatte und wir am Ende dann so extrem knapp gescheitert sind. Mit dem Finalsieg hat bei Brasilien die große Zeit des George Schuch begonnen – und wir waren die ersten deutschen Vizeweltmeister der Geschichte.“

Im deutschen WM-Kader standen: Martin Becker, Sven Varnhorn, Hans-Michael Moritz (alle TS 52 Hannover), Roland Schiep, Stefan Koch (beide TuS RW Koblenz) Jens Kolb (SV Moslesfehn), Armin Held (TSV Roth), Niels Pannewig (TV Westfalia Hamm), Andreas Bernhardt (TSV Hagen 1860) und Ralf Herp (Offenburger FG); Trainer: Harald Muckenfuß, Betreuer: Olaf Neuenfeld, Mannschaftsarzt: Dr. Mark Lothert, Delegationsleiter: Lothar Baade

Im Finale kamen bei Deutschland zum Einsatz: Martin Becker, Jens Kolb, Niels Pannewig, Sven Varnhorn, Hans-Michael Moritz, Andreas Bernhardt, Roland Schiep, Stefan Koch

Den WM-Titel für Brasilien gewannen: George Schuch, Jorge Eduardo Süffert, Paulo Gustavo Süffert, Cristian Kohlmann, Fabiano Miranda (alle Sogipa Porto Alegre), Iwerson Fabricio Fernandes (Condor), Gerson Süffert (25 de Julho Porto Alegre), Onesimo Knopf (Guarani), Leandro Andre Fleck (SC Novo Hamburgo), Luis Junior Karwowski (Duque de Caxias); Trainer: Valdir Simioni & Gastao Englert, Delegationsleiter: Rubens Rogerio Brackmann

Endstand 10. Faustball-WM 1999: 1. Brasilien, 2. Deutschland, 3. Österreich, 4. Schweiz, 5. Argentinien, 6. Namibia, 7. Italien, 8. Tschechien, 9. Chile, 10. Dänemark, 11. USA, 12. Japan

Text: Sönke Spille / Bilder: Ralf Herp / Statistik: Manfred Lux (Faustball-Information)

 

Die 15. Faustball-Weltmeisterschaft der Männer findet vom 11. bis 17. August im Stadion Schützenwiese in Winterthur statt. Deutschland trifft in der Vorrunde (11. bis 13. August) auf Argentinien, Italien und Österreich. Im Anschluss wird in einer Double Elimination weitergespielt. Nach den Titelgewinnen 2011 (Österreich) und 2015 (Argentinien) reist die Mannschaft von Bundestrainer Olaf Neuenfeld als Titelverteidiger in die Schweiz. Auf insgesamt vier Spielfeldern werden die Begegnungen ausgetragen, die deutschen Spiele werden alle auf www.faustball.tv übertragen werden.
Die Deutsche Faustball-Liga wird auf faustball-liga.de und den Social Media-Kanälen (Facebook, Instagram, Twitter) über die WM in Text, Bild und Ton berichten.

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