Wie der Jugendfaustball nach Bremen zurückkehrt
Bremen (DFBL/ssp). Es sind glorreiche Zeiten auf die das Bundesland Bremen im Faustball zurückblicken kann: Deutsche Meistertitel, Europapokalsiege, Bremer Faustballer, die als Nationalspieler an Welt- und Europameisterschaften teilnahmen. Sogar einen Faustball-Weltpokalsieger der Frauen brachte die Stadt hervor. Und auch nationale und internationalen Veranstaltungen gingen in Bremen über die Bühne. Doch diese Zeiten gehören längst der Vergangenheit an. Mit dem Frauenteam des TSV Borgfeld nimmt nur noch ein Team aus dem kleinsten deutschen Bundesland am offiziellen Spielbetrieb der Erwachsenen teil – und das in Niedersachsen. Da im eigenen Landesverband kein Spielbetrieb möglich ist, ist die Kooperation mit dem NTB entstanden. Es soll aber nur eine Übergangszeit sein. Das hofft Dennis Walther, seit 2014 Landesfachwart der Bremer Faustballer. Er setzt alles daran, den Nachwuchs für den Faustballsport zu begeistern – und den Bremer Verband somit wieder auf solide Beine zu stellen.
Donnerstagabend, kurz nach 20 Uhr. Dennis Walther greift zum Telefonhörer für das Telefoninterview. Das Abendessen musste bisher noch warten. Schließlich ist er gerade erst nach Hause gekommen. Die vergangenen Stunden hat er auf dem Faustballplatz verbracht. So wie jeden Nachmittag. Unter der Woche steht der 40-jährige Sportwissenschaftler jeden Tag auf dem Faustballplatz oder in der Sporthalle. Als Trainer gibt er sein Wissen an die jungen Faustballer weiter – und nur dank seines Engagements ist der Bremer Verband noch nicht gänzlich von der Faustball-Landkarte verschwunden.
Begeisterung für den Faustball
Dabei ist Dennis Walther gar nicht mit dem Faustballsport groß geworden. Eigentlich ist er beim Lemwerder TV als Schwimmtrainer beschäftigt und im Vorstand des Lemwerder TV tätig, als er den LTV 2002 zum Deutschen Turnfest nach Leipzig begleitet. „Unsere damalige Sportwartin meinte ich sollte mal mitfahren“, erinnert sich Walther. Den einzigen den er auf der Fahrt kennt, ist Faustball-Abteilungsleiter Uwe Kienast. „Ich habe mich die Woche über an die Faustballer gehangen, geholfen die weibliche U16 und U18 zu betreuen.“ Es dauert nicht lange, da ist der gebürtige Bremer vom Faustball, dem Flair mit der Geselligkeit, begeistert. „Daraus hat sich dann entwickelt, dass ich in Lemwerder mal beim Training der Männergruppe von Uwe Kienast vorbeischaue“, sagt Dennis Walther, der gleich bei den ersten Trainingsspielen keine schlechte Figur macht. Walther: „Mir ist da auch zugutegekommen, dass ich früher semiprofessionell Handball gespielt habe.“
Und es dauert nicht lange, da übernimmt der heute 40-Jährige auch neben dem Faustballplatz Verantwortung. „Es gab eine Mannschaft, die keiner so richtig trainieren wolle“, erzählt er. Er kennt einen Großteil der Spielerinnen vom Schwimmunterricht. „Ich habe mich dann irgendwie überreden lassen, sie zu trainieren“, sagt Dennis Walther. Wirklich erfolgreich ist die Truppe zwar nicht – doch die Stimmung im Team ist trotzdem hervorragend. „Sie sind dann in den Erwachsenenbereich gewechselt und brauchten irgendwann keinen Trainer mehr. Stattdessen habe ich die D-Jugend übernommen“, sagt der Bremer Landesfachwart. Diese Mannschaft führt er zu Norddeutschen Meisterschaften, macht zeitgleich seine Trainer-C-Lizenz.
Neustart beim TSV Borgfeld
Im November 2008 wagt Dennis Walther dann einen ganz neuen Schritt. Während er in dieser Hallensaison noch weiter Trainer der Lemwerder A-Jugend-Mädels ist, will er beim TSV Borgfeld mit dem Aufbau einer Faustball-Jugendabteilung beginnen. „Die Idee war nicht primär aus Lemwerder wegzugehen, sondern vielmehr den Verband in Bremen in der Jugend zu stärken.“ Schließlich sind die erfolgreichen Bremer Faustballjahre zu dieser Zeit vorbei, mit dem Blumenthaler TV und dem TV Bremen 75 engagieren sich nur noch zwei weitere Vereine im Jugendfaustball. „In Borgfeld habe ich damals die besten Rahmenbedingungen vorgefunden“, erzählt Dennis Walther. Mit den älteren Faustballern im Männerbereich ist eine klare Trennung vereinbart. „Vom Gesamtverein habe ich aber alle Unterstützung bekommen, die ich brauchte.“
Mannschaftsmeldungen
26 Jugendmannschaften aus vier Vereinen (darunter der Lemwerder TV, der geographisch nach Niedersachsen gehört und nun hier mitspielt) spielten vor 15 Jahren in der Feldsaison 2005 in Bremen. Während die SG Aumund-Vegesack aktuell keine Jugendmannschaft mehr stellt, waren mit den drei Vereinen TV Bremen-Walle (1 Team), Blumenthaler TV (2 Teams) und TSV Borgfeld (7 Teams) in der vergangenen Hallensaison insgesamt 13 Mannschaften aktiv – fünf davon in der U10. Die Zahl der Mannschaftsmeldungen steigt wieder an.
Mit ihm wechseln drei U18-Mädchen von Bremen 75 nach Borgfeld, hinzu kommen die Tochter einer Arbeitskollegin und deren Freundin. „Damit hatte ich gleich die erste Mannschaft zusammen“, berichtet Dennis Walther. Gleichzeitig beginnt er mit dem Aufbau einer U10. „Die ersten drei Wochen habe ich noch mit einem Kind allein das Training gemacht, doch danach gab es immer mehr Zulauf.“ Seitdem verfolgt Walther beim TSV seine Faustball-Philosophie. „Mir ist es wichtig, dass zwischen den Altersklassen keine Lücke entstehen. Ich habe in anderen Vereinen gesehen, dass das immer wieder zu Problemen führt“, sagt er. Dieser Plan scheint zu funktionieren. „In der U16 und U18 versuche ich mir Spielerinnen heranzuziehen, die mir im Trainerbereich helfen können und dann auch ihre eigene Mannschaft bekommen.“ Den Fokus legt er dabei, ganz bewusst, auf den weiblichen Bereich: „Für die männliche Jugend fehlt mir einfach die Unterstützung.“
Bisher drei DM-Teilnahmen
Bisher geht die Philosophie auf: In den vergangenen elf Jahren hat Dennis Walther beim TSV Borgfeld eine solide Abteilung auf die Beine gestellt, mit drei Teams (Foto: DM wU12, 2019) an Deutschen Meisterschaften teilgenommen. Auch wenn der TSV zu den Regionalmeisterschaften und Deutschen Feld-Meisterschaften der U12 und U16 ohne Konkurrenz im eigenen Bundesland frei melden kann, kommt es Walther bei der Meldung auf die Motivation innerhalb der Mannschaft an. „Die DM soll eine Belohnung sein. Wir müssen nicht unter die Top drei kommen, ich glaube das zu denken wäre vermessen. Aber wir wollen zeigen was wir können.“ Während der Saison nimmt der Verein aus dem Bremer Westen im niedersächsischen Bezirk Lüneburg am Spielbetrieb teil. „Wir sind total glücklich darüber, dass wir hier mitspielen dürfen“, betont Dennis Walther. „Für uns ist das aber auch immer mit vielen Kilometern Reise verbunden, die wir zurücklegen müssen.“ Deshalb kämpft der Landesfachwart für einen Jugendspielbetrieb in seinem Bundesland. „Es kommt darauf an, den Verband wieder auf richtige Füße zu stellen“, sagt er. „Dafür benötigen wir vier Vereine. Wenn die wieder laufen, dann sind wir auf dem richtigen Weg.“
Blumenthaler TV
Bereits 1975 gehörte der Bremer Verein zu den Teilnehmern der ersten Faustball-Bundesligasaison überhaupt und kam über die gesamte Zeit auf 26 Bundesliga-Spielzeiten (16 Feld, 10 Halle). Neben zwei Deutschen Vizemeisterschaften feierten die Frauen den Europapokalsieg 1999 in Embrach (Schweiz) und den Triumph beim Weltpokal 2000 in Windhoek (Namibia). In der Feldsaison 2007 nahm der Blumenthaler TV letztmals am Bundesligaspielbetrieb teil.
Einer dieser Vereine ist der Blumenthaler TV. Zur Jahrtausendwende war der BTV der Bremer Faustball-Vorzeigeverein, das Frauenteam räumte viele nationale und internationale Titel ab – ehe es in den vergangenen Jahren ruhig im Bremer Stadtnorden wurde. Seit knapp drei Jahren arbeitet Dennis Walther daran, den Faustball hier wieder zu etablieren. „Es gibt ein Mädelsteam, das in der U14 und U16 antritt, dazu wird gerade eine U10 aufgebaut“, erzählt Walther – und hofft, dass ihn künftig vielleicht eine ehemalige Spielerin aus dem früheren Bundesliga-Kader beim Training unterstützen wird.
Und auch im Süden könnte sich etwas tun: Im Januar nahm am erstmals veranstalteten Bremer U13-Schulcup auch die Freie Evangelische Bekenntnisschule aus Habenhausen teil. „Ich war vorher in der Schule und habe mit den Schülern trainiert. Sie haben sich gut angestellt“, so Walther. „Es waren auch ein paar ehrgeizige Mädels bei, die sich vorstellen können mit Faustball anzufangen.“ Seine Anfrage beim ATSV Habenhausen, in dem schon seit Jahrzehnten Faustball gespielt wird, verlief erfolglos. „Stattdessen versucehn wir bei der Bremer Turnvereinigung 1877 wieder eine Faustballabteilung aufzubauen“, blickt der Bremer Landesfachwart optimistisch auf das erste Training am 5. August. Hiltrud Besser versucht zudem beim TV Bremen-Walle 75, auch in der Stadtmitte Nachwuchsspieler für den Faustball zu begeistern.
Blick in die Zukunft
Auch Faustball-Landesmeisterschaften haben in der Jugend wieder stattgefunden – wenn auch derzeit noch recht Borgfeld-lastig, wie Dennis Walther erzählt. Dazu ist die weiblichen U14 – mit Spielerinnen aus Borgfeld und Blumenthal – in den vergangenen zwei Jahren beim Deutschlandpokal angetreten (Foto). Dennis Walther war dabei Delegationsleiter, Schiedsrichter und Co-Trainer in Personalunion. „Man gewöhnt sich daran, viele Dinge allein zu machen“, sagt er. Ihm sei es aber auch wichtig, Jugendspielerinnen an einige Aufgaben heranzuführen. Auch mit Blick auf weitere Projekte wie eine Trainerfortbildung, und beim Forcieren des Grundschulturniers und dem Schul-Cup. „Wie viele sich in den nächsten Jahren wird wahrscheinlich der Knackpunkt“, meint Dennis Walther. „Wenn ich in fünf bis zehn Jahren immer noch allein bin, dann wird es wohl sehr schwer werden den Faustball in Bremen zu halten – aber noch glaube ich fest daran, dass es gelingen kann.“
Weitere Informationen zum Bremer Landesverband: http://www.btv.team-faustball.de/
Auf dieser Seite gibt es auch Informationen und Trainingszeiten der Vereine TSV Borgfeld, Blumenthaler TV und Bremer Turnvereinigung.
Text: Sönke Spille
Interviewpartner: Dennis Walther
Daten: Faustball-Information, faustball-ergebnisse.de