Wachablösung bei der Meisterschaft der Männer?
Bringt die deutsche Meisterschaft der Männer in Stuttgart-Stammheim eine faustdicke Überraschung, eine Wachablösung? „Es wird jedes Jahr und mit zunehmendem Alter schwerer, den Titel zu gewinnen“, gibt Sebastian Thomas vom weltweit herausragenden Verein der letzten Jahre, dem TSV Pfungstadt, unumwunden zu. Indizien zufolge könnte das Jahr 2024 für die Hessen ein Jahr zum Vergessen werden. „Faustball ist Ergebnissport, diesbezüglich sind wir als Süd-Meister happy. Aber wir haben in diesem Jahr unrund gespielt, mit Höhen und Tiefen und ohne Konstanz“, sagt der vielfache Welt- und Europameister. Tatsächlich überraschten die jüngsten Resultate: „nur“ Zweiter beim European Champions Cup, „nur“ Zweiter bei den World Tour Finals. Und in der Bundesliga setzte es vor vier Wochen eine 3:5-Niederlage zuhause gegen den TV Vaihingen/Enz.
Allerdings gibt es für das „Unrunde“ auch Erklärungen. „Unkonstante Trainingsleistung, Verletzung von Paul Janzen, Krankheitspausen von Ajith Fernando und mir“, zählt der Rückraumspieler auf. „Objektiv betrachtet ist es toll, dass wir es wieder in die Endspiele der internationalen Wettbewerbe geschafft haben. Die Niederlagen gegen Linz und Vöcklabruck waren aber herbe Enttäuschungen, auch wenn die Gegner ein sehr hohes Niveau haben. Wir erlauben uns Fehler, die uns an normalen Tagen nicht passieren.“ Die Konkurrenz darf also hoffen, muss sich aber auch auf ein Pfungstädter Team einstellen, das mit Wut im Bauch antritt – und dem Wissen, „dass wir ins Finale kommen müssen, um auch 2025 international spielen zu dürfen. Wir sind motiviert bis in die Haarspitzen und wollen den Titel. Und auch wenn ich gerne tief stapele, es nimmt mir keiner ab, wenn ich behaupte, wir kommen zum Spaß her.“ Bereits am Freitagabend haben die Titelverteidiger eine Aufgabe zu erledigen: sie müssen ihr Frauen-Team im Vorqualifikationsspiel anfeuern. „Sonst hängt der Haussegen schief“, sagt Sebastian Thomas, dessen Frau Stephanie Spielertrainerin ist, augenzwinkernd.
Am Samstagvormittag eröffnen der TV Brettorf und TV 1880 Käfertal das Männerturnier. Ob ein Spiel auf Augenhöhe entsteht? Natürlich hängt das im Drei-Gewinnsätze-Modus auch von der Tagesform ab. Vor allem aber davon, mit welcher Aufstellung die Teams aufs Feld gehen. Fragezeichen schweben über der Mannheimer Erfolgsachse mit den Schlagmännern Marcel Stoklasa und Nick Trinemeier sowie Felix Klassen (Mitte). Die Kurpfälzer reaktivierten zuletzt sogar Nick Trinemeiers jungen Bruder Cedric, der sich als sportliches Multitalent für einige Jahre zum Kugelstoßen auf Spitzenniveau verabschiedet hatte. Platz 4 beim European Champions Cup in Österreich war aber definitiv ein guter Erfolg. Und Brettorf? Will in Stuttgart sicherlich nicht wieder, wie zuletzt bei der Hallen-DM in Hagen, früh die Taschen packen. Das sind sie schon den traditionell in großer Anzahl anreisenden Fans schuldig. Der Sieger dieser Begegnung bekommt es mit Pfungstadt zu tun.
Das zweite Qualifikationsduell sieht auf dem Papier einen Favoriten: den TV Vaihingen/Enz. „Aber Papier ist geduldig“, weiß Trainer Markus Knodel. „Zugegeben: Mit unserer personellen Aufstellung und so, wie wir aktuell drauf sind, müssen wir den Berliner TS besiegen. Wenn das gelingt, wartet im Halbfinale gegen Hagen ein Fifty-Fifty-Spiel. Trotzdem haben wir den vermeintlich leichteren Weg, um das Endspiel zu erreichen.“ Vielleicht spielen aber doch die Hauptstädter das Zünglein an der Waage. Die Berliner Turnerschaft überraschte in der Nord-Runde mit einem 5:4 gegen Hagen und entschied das Duell um Platz 3 mit dem VfL Kellinghusen durch ein 5:1 in Schleswig-Holstein. TVV-Coach Knodel aber lässt keinen Zweifel: „Wir fahren nach Stuttgart, um zu gewinnen. In dieser Feldrunde haben wir sehr gute Leistungen abgerufen und uns kontinuierlich gesteigert. Die Rückrunde war mit drei Siegen gegen die anderen Top-Teams einfach phänomenal. Gut ist auch, dass wir diesmal nicht wieder vier, fünf Wochen Pause zwischen Punkterunde und DM haben, so können wir die Spannung hochhalten.“
Abwehrspieler Ole Schachtsiek vom TSV Hagen 1860 freut sich auf das Halbfinale, „egal ob gegen Berlin oder Vaihingen. Auch wir wollen ins Endspiel, nachdem wir bei den letzten Meisterschaften zwei Mal Vierter geworden sind.“ Allerdings, so der Routinier, „sind die Süd-Vereine wirklich richtig stark und wir wurden bislang gar nicht so richtig gefordert, weil Spieler gegen uns geschont wurden oder verletzt waren. Der echte Härtetest kommt erst jetzt.“ Die Westfalen sind seit 2019 regelmäßig bei den Endrunden dabei, zweimal sprang Platz 2 heraus.
Ob es bei der „besten DM aller Zeiten“ eine Überraschung geben wird, steht am Sonntag fest. Für manchen Beobachter sind die Vaihinger, die nur 20 km auf einer Bundesstraße nach Stammheim fahren müssen, der Geheimfavorit. Trainer Knodel: „Wer den Titel will, muss an Pfungstadt vorbei. Wir wissen, was wir können und wenn wir das am Wochenende abrufen, ist alles möglich. Denn Faustball ist vor allem eines: Kopfsache.“
Einig sind sich alle. „Das ist schon sehr professionell, was der TV Stammheim aufzieht. Auch an uns Spieler wird gedacht, wir werden ständig informiert und bekommen gewissermaßen ein Rundum-Sorglos-Paket“, berichtet Ole Schachtsiek. Markus Knodel: „Als die DM nach Stammheim vergeben wurde, war für uns klar: da wollen wir hin, die richten das gut aus.“ Und Sebastian Thomas: „Das muss man den Stammheimern lassen: Event können sie.“
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