Uwe Schneider zum Strategie-Beschluss: „Ich bin ziemlich stolz darauf“
Langenfeld (DFBL/sbs). Hinter Uwe Schneider und der Strukturreformkommission liegen intensive Wochen. In Fulda wurden nun strategische Veränderungen innerhalb der DFBL auf den Weg gebracht, die am Freitag veröffentlicht werden. Der Leiter des Gremiums, das der Einfachheit halber in „Schneider-Kommission“ umgetauft wurde, spricht im Interview über die bisherige Arbeit, kurze Nächte, den verabschiedeten Faustball-Weg und seinen Wunsch für die Zukunft des Faustballsports.
Lieber Uwe, unabhängig von deiner Funktion als Leiter der Kommission gehörst du zu den bekannten Persönlichkeiten des Faustballsports. Spätestens seit diesem Herbst kennt deinen Namen aber wohl jeder in der Faustball-Familie.
Schneider (lacht) Ich hätte nie gedacht, dass ich mal meine eigene Kommission haben würde. Ich wurde ziemlich oft in letzter Zeit auf die Schneider-Kommission angesprochen. Aber Spaß beiseite. Tatsächlich ist Strukturreformkommission ein sperriger Begriff. Wenn wir etwas verändern und Menschen auf unserem Weg mitnehmen wollen, müssen sie es auch verstehen. Unser Kommissions-Mitglied Martin Beils hat den Begriff Schneider-Kommission ins Leben gerufen, den haben die Leute aufgenommen – und der hat sich dann in den Köpfen festgesetzt.
Aus welchem Anlass wurde die Kommission gegründet?
Scheider: In der Vergangenheit gab es immer wieder Überlegungen dahingehend, dass sich innerhalb der DFBL etwas verändern muss. Es war eine allgemeine Unzufriedenheit zu spüren. Die hatte unterschiedliche Gründe. Da sind zum einen die rückläufigen Mitglieder- und Vereinszahlen. Aber es gab es auch viele Menschen in den Vereinen, die sich über die Strukturen und zu viel Verwaltungsaufwand beklagten und von Stagnation sprachen. Es fehlte lange Zeit der Stein des Anstoßes. Mit der Wahl von Jörn Verleger zum Präsidenten und im Zuge einiger Personalwechsel innerhalb der DFBL kam dann Bewegung in das Thema. Wir fanden, es war ein guter Zeitpunkt – auch im Sog der Weltmeisterschaft – neue Schritte zu überlegen.
Ende August stand bei der Deutschen Meisterschaft der Slogan „Faustball kann mehr“ erstmals im Raum. Die Titelkämpfe waren so etwas wie der Startschuss der Initiative.
Schneider: Wir haben im Juni die Kommission gebildet, in der Landesfachwarte vertreten waren, aber auch der Bundestrainer der Männer und mit Yasmin Yasin eine Vertreterin für die Bundesligavereine. Dass die Arbeit der Kommission derart an Fahrt aufnahm, ist aber vor allem Torsten Woitag zu verdanken. Dass er als Vizepräsident für Kommunikation und Marketing zu uns ins Team kam, ist großes Glück. Er hat sich mit seiner strukturierten Arbeitsweise innerhalb der Kommission zu einem Motor und Antreiber entwickelt. Da wurde häufiger spät abends noch telefoniert oder es wurden um Mitternacht noch WhatsApp-Nachrichten verschickt (lacht). Das wir in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit eine erfolgreiche Umfrage durchgeführt und darauf aufbauend strategische Handlungsfelder entwickelt haben, haben wir zu großen Teilen ihm zu verdanken. Das war sehr zeitintensiv. Aber es macht Spaß, weil wir daran glauben, gemeinsam etwas bewegt zu haben und weiterhin bewegen werden.
Hand aufs Herz: Mit welchen Erwartungen bist du damals gestartet?
Schneider: Am Anfang stand die Idee einer Umfrage im Raum. Ehrlich gesagt wussten wir nicht, ob sie den gewünschten Erfolg bringt. Man fragt sich: Wird sie überhaupt ernst genommen? Wie groß wird wohl der Rücklauf sein? Der Prozess war wahnsinnig spannend. Wir haben es tatsächlich geschafft, die Leute mit vielen Mails, Social-Media-Aufrufen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen bei diversen Meisterschaften zu erreichen, Aufmerksamkeit für unsere Umfrage und die Arbeit der Kommission zu bekommen. Und was mir besonders wichtig ist: Wir haben es geschafft, dass jeder in der Faustball-Familie seinen Unmut kundtun, aber auch seine Ideen einbringen kann.
Die Umfrage hat fast 1000 Antworten generiert. Warst du überrascht vom großen Zuspruch?
Schneider: Die Zahl ist überwältigend und als Erfolg zu bewerten, denn wir haben sehr viele qualitativ hochwertige Antworten bekommen. Was uns unglaublich freut ist, dass wir viele Menschen gewonnen haben, die sich engagieren und mithelfen wollen, den Faustballsport voranzubringen. Der Aufruf zum Mitmachen war für uns ein elementarer Baustein – wir haben aus der Umfrage rund 230 Leute generiert, die sich vorstellen konnten in den verschiedensten Bereichen mitzuarbeiten.
War das von Anfang an geplant?
Schneider: Als wir den Prozess angestoßen haben war klar: Wenn er zum Erfolg führen soll, dann müssen wir viel Arbeit auf viele Schultern verteilen. Das Ziel der Umfrage war es, Leute zum Mitmachen zu bewegen und ihnen Möglichkeiten zur Mitgestaltung zu schaffen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die in eine ähnliche Richtung denken, die aber teils nichts voneinander wissen.
Und die finden nun in den Umsetzungsgruppen zusammen?
Schneider: Es ist ein bunter Mix in den Umsetzungsgruppen. In meiner Gruppe zum Thema Trainerqualifikation sitzt z.B. mit Rainer Frommknecht das Präsidiumsmitglied für den Bereich Ausbildung, der Bundestrainer für den Bereich U 18 oder auch der Coach der dänischen Frauen-Nationalmannschaft.
Wie kommt es, dass der dänische Frauentrainer dabei ist?
Schneider: Das ist ganz interessant. Über die Umfrage haben sich auch Menschen aus dem Ausland gemeldet, unter anderem Daniel Dalichau, der über Facebook auf unsere Initiative aufmerksam wurde und sich für die Umsetzungsgruppe Trainerqualifikation beworben hat. Er will sich dort einbringen. Wir haben auch vereinzelt Reaktionen aus Österreich, Italien und der Schweiz bekommen.
Wie hast du die Arbeit und den Austausch bisher erlebt?
Schneider: Als sehr konstruktiv. Ganz entscheidend ist dafür, dass wir stets transparent arbeiten. Wir haben beispielsweise mit der Einberufung der Regionalkonferenzen gezeigt, dass wir nicht in der stillen Kammer arbeiten, sondern alle Ergebnisse offen kommunizieren. Wir haben unsere Umfrageergebnisse sogar in einer bisher nicht dagewesenen Livestream-Übertragung öffentlich vorgestellt und anschließend bei Impulstreffen mit den Landesfachwarten nochmals diskutiert. Dieses Wechselspiel war und ist uns wichtig. In der Umfrage haben wir häufig lesen müssen: Wir wissen nicht, was die dort oben machen. Ich glaube, dass wir so manchen Schlummernden wieder für den Faustballsport gewinnen und davon überzeugen konnten, dass wir es wirklich ernst meinen mit dem, was wir tun.
Die Strategie wird am Freitag veröffentlicht. Was erwartet die Faustball-Familie?
Schneider: Wir haben in diesem Strategiepapier verschiedene Aktions- und Handlungsfelder für den Faustballsport beschrieben und Werte formuliert. Wir überprüfen alle 120 Tage, ob wir auf dem richtigen Weg unterwegs sind. Noch sind alle diese Punkte Theorie, aber sie werden jetzt in die Umsetzungsgruppen getragen. Die Mitglieder haben nun die Aufgabe, Vorschläge und Konzepte zu erarbeiten, Dinge zu hinterfragen und Denkanstöße zu erstellen, die dann von der Theorie in der Praxis umgesetzt werden.
Ich nenne in diesem Zusammenhang das Stichwort Spielsysteme.
Schneider: Wir unterscheiden in Spielsysteme für Erwachsene und Kinder. Die muss man getrennt betrachten und deshalb gibt es auch zwei Umsetzungsgruppen dafür. Es wird wohl Eingriffe geben in die Spielordnung, die dann an der einen oder anderen Stellen überarbeitet werden muss. Aber da möchte ich nicht vorgreifen. Dazu gibt es Umsetzungsgruppen, die sich mit den Themen Trainerqualifikation, Nachwuchs oder Schul-Faustball beschäftigen. Unsere Aufgabe ist es, über die Umsetzungsgruppen Infos zu all diesen Themen zu kanalisieren, breit zu streuen und den Vereinen Unterstützung anzubieten. Die DFBL möchte sich künftig auch als Dienstleister verstehen.
Wenn man sich die Liste der Namen in den Umsetzungsgruppen anschaut, sind viele prominente Namen darunter.
Schneider: Ich glaube, dass mittlerweile alle Präsidiumsmitglieder in einer Umsetzungsgruppe dabei sind, was ich sehr gut finde. Das beschleunigt Entscheidungsprozesse. Auch die Landesfachwarte sind engagiert. Spontan fallen mir auch Julian Scharf und Tom Döbel aus Leipzig ein, die nun ihre Chance sehen, das, was sie sich im Schulsport aufgebaut haben, auch auf größerer Bühne zu präsentieren. Dazu unser Schulsportbeauftragter Christian Sondern aus Hamburg, den wir reaktiviert haben und der als Kopf einer Umsetzungsgruppe mitmacht.
Was gefällt dir am besten an der Strategie?
Schneider: Ich finde die Strategie lebt von jedem einzelnen Baustein und ist in sich schlüssig. Man kann kein Handlungsfeld und keinen Wert auslassen, dann würde ein Baustein fehlen.
Welche Chance hat der Faustball und wo siehst du ihn in fünf bis zehn Jahren?
Schneider: Wenn es uns gelingt, aus der Theorie jetzt Realität werden zu lassen und wir bis zur WM noch das eine oder andere umsetzen, dann können wir wieder mehr Leute für den Faustball begeistern. Wir haben uns auf unserer Strategie-Konferenz in Fulda unter anderem mit den aktuellen Vereins- und Zuschauerzahlen beschäftigt. Die Realität hat viele erschreckt. Ich wünsche mir, dass wir den Faustballsport als moderne und interessante Teamsportart nachhaltig etablieren können. Dass wir wieder eine große sportliche Dichte bekommen und auch die neuen Bundesländer mehr einbeziehen. Es gibt noch zu viele weiße Flecken auf der Landkarte. Ich habe selbst intensiv in den 80er Jahren gespielt. Als Team musste man sich damals über mehrere Turniere für eine Deutsche Meisterschaft qualifizieren, heute meldet man einfach. Und ich wünsche mir für die nahe Zukunft, dass sich Faustball als Ballsportart in den Schulen etabliert. Denn damit generiert man automatisch Nachwuchs.
Was sind die nächsten Schritte?
Schneider: Jede Arbeitsgruppe hat Aufträge erhalten aus der Umfrage. Die ersten Sitzungen sind gelaufen. Es gibt sicher Themen, die Priorität haben, weil sie zur Feldsaison oder zum Schuljahr 2023/24 bereits greifen sollen. Daher werden wir mit der gleichen Geschwindigkeit weitermachen, um entsprechend Beschlüsse fassen zu können, die dann auch wirken. Als die Konferenz in Fulda vorbei war und die Teilnehmer zum Abschluss symbolisch ihre Unterschrift auf eine Serviette gaben, war das ein toller Moment. Ein echter Meilenstein. Ich bin ziemlich stolz auf das Erreichte. Denn uns ist es gelungen, alle mit ins Boot zu holen, die wollen. Und wir sind noch nicht am Ende.
Steffi Sandmeier fasste das Gespräch mit Uwe Schneider zusammen.
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